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Mystische Erfahrung

Matthias Uhlich • Sept. 02, 2020

Ausgewählte Texte mystische Erfahrung

Zu welchem Ufer willst du gelangen, mein Herz?
Kabir
Es gibt keinen Weg und niemand,
der dir vorangeht.
Was heißt schon Kommen und Gehen?
An jenem Ufer kein Boot
und kein Fährmann das Boot zu verankern.
Da gibt es weder Himmel noch Erde,
weder Zeit noch irgendein Ding,
kein Ufer und keine Küste.
Bedenke es wohl, mein Herz!
Gehe nicht anderswohin.

O, der du Mir dienst, wo suchest du Mich?
Kabir
Siehe, Ich bin bei dir.
Ich bin weder im Tempel noch in der Moschee,
weder in der Kaaba noch auf dem Kailash.
Weder bin Ich in Riten und Zeremonien,
noch in Yoga oder Entsagung.
Wenn du ein wahrhaft Suchender bist,
wirst du Mich sogleich sehen,
Mir begegnen im gleichen Augenblick.
Kabir sagt: O Sadhu!
Gott ist der Atem
allen Atems.

Inschrift auf dem Grab von Mevlana Dschelaleddin Rumi
Komm, komm, wo immer du gerade bist
Komm, komm, wo immer du gerade bist!
Wanderer, Andächtiger, Liebhaber des Abschieds.
Es spielt keine Rolle.
Unsere Karawane
ist kein Ort der Verzweiflung.
Komm,
komm, selbst wenn du
deine Gelübde
schon tausendmal gebrochen hast.
Komm,
komm trotzdem wieder,
Komm!

Achte gut auf diesen Tag
aus dem Sanskrit
Achte gut auf diesen Tag
denn er ist das Leben.
Das Leben allen Lebens.
In seinem kurzen Ablauf
liegt alle Wirklichkeit und Wahrheit des Daseins.
Die Wonne des Wachsens,
die Größe der Tat
und die Herrlichkeit der Kraft.
Denn das Gestern ist nichts als ein Traum
und das Morgen nur eine Vision.
Das Heute jedoch - recht gelebt -
macht jedes Gestern zu einem Traum voller Glück
und jedes Morgen zu einer Vision voller Hoffnung.
Drum achte gut auf diesen Tag!

Dem unbekannten Gott
Friedrich Nietzsche
Noch einmal, eh ich weiterziehe
Und meine Blicke vorwärts sende,
Heb ich vereinsamt meine Hände
Zu Dir empor, zu dem ich fliehe,
Dem ich in tiefster Herzenstiefe
Altäre feierlich geweiht,
Dass allezeit
Mich deine Stimme wieder riefe.
Darauf erglüht tief eingeschrieben
Das Wort: Dem unbekannten Gotte.
Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte
Auch bis zur Stunde bin geblieben:
Sein bin ich - und ich fühl die Schlingen,
Die mich im Kampf darniederziehn
Und, mag ich fliehn,
Mich doch zu seinem Dienste zwingen.
Ich will Dich kennen, Unbekannter,
Du tief in meine Seele Greifender,
Mein Leben wie ein Sturm Durchschweifender,
Du Unfassbarer, mir Verwandter!
Ich will Dich kennen, selbst Dir dienen.


Ecce Homo
Friedrich Nietzsche
Ja! Ich weiß, woher ich stamme!
Ungesättigt gleich der Flamme
Glühe und verzehr' ich mich.
Licht wird Alles, was ich fasse,
Kohle Alles, was ich lasse:
Flamme bin ich sicherlich.
Wir bauen Bilder vor dir auf
Rainer Maria Rilke
Wir bauen Bilder vor dir auf wie Wände;
so dass schon tausend Mauern um dich stehn.
Denn dich verhüllen unsre frommen Hände,
sooft dich unsre Herzen offen sehn.


Stille
Rainer Maria Rilke
Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen - :
Dann könnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken
Und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.


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